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Neuerscheinung: Disability and Poverty in Austrian Households: Analysing the Risk of Experiencing Income Poverty

Die Autorinnen Carmen Waltena-Bergmann und Angela Wegscheider untersuchten das Risiko von Einkommensarmut in österreichischen Haushalten mit Menschen mit Behinderungen. Dabei zeigen die Ergebnisse, dass dieses erhöhte Armutsrisiko nicht durch andere Faktoren wie Bildung, Erwerbstätigkeit oder Migrationshintergrund erklärt werden kann. Vielmehr spricht vieles für eine strukturelle Benachteiligung und Vorurteile, die unabhängig von sozio-demografischen Merkmalen wirkt.

Disability and Poverty in Austrian Households: Analysing the Risk of Experiencing Income Poverty | Scandinavian Journal of Disability Research

Der Artikel kurz zusammengefasst:

Er untersucht das Risiko von Einkommensarmut in österreichischen Haushalten, in denen mindestens ein Mitglied eine Behinderung aufweist. Basierend auf Daten der European Union Statistics on Income and Living Conditions (EU-SILC 2022) wird analysiert, warum diese Haushalte stärker von Armut betroffen sind als Haushalte ohne behinderte Mitglieder. Die zentrale Forschungsfrage lautet, ob sich die höhere Armutsgefährdung durch sozioökonomische Faktoren und Haushaltsstrukturen erklären lässt oder ob tiefere strukturelle Ursachen vorliegen.

Methodik und Datenbasis

Die Analyse beruht auf 5.938 österreichischen Haushalten aus dem EU-SILC 2022-Datensatz, von denen 42 % mindestens eine Person mit Behinderung enthalten. Die Definition von Behinderung folgt der EU-SILC-Kategorie, die eine gesundheitliche Einschränkung von mindestens sechs Monaten Dauer umfasst. Mittels logistischer Regression wird das Armutsausfallrisiko der Haushalte analysiert, wobei Armut definiert ist als ein Einkommen unter 60 % des nationalen Medians nach Sozialtransfers. Zusätzlich wird eine Blinder–Oaxaca-Dekomposition verwendet, um den Anteil erklärbarer und unerklärbarer Armutsrisiken zu überprüfen.

Ergebnisse: Erhöhtes Armutsrisiko trotz Kontrolle von Faktoren

Die Untersuchung zeigt, dass Haushalte mit behinderten Mitgliedern ein deutlich höheres Risiko haben, von Einkommensarmut betroffen zu sein (17 % vs. 12 % bei Haushalten ohne Behinderung). Wichtige Einflussfaktoren wie Erwerbsintensität, Bildungsniveau, Migrationshintergrund und Haushaltsstruktur können zwar das Armutsausfallrisiko beeinflussen, erklären jedoch nicht die gesamte Differenz zwischen den Gruppen. Insbesondere bei Haushalten mit Menschen mit Behinderungen bleibt ein Teil des erhöhten Armutsrisikos bislang unerklärt.

Strukturierter Ableismus als Erklärung

Die Autorinnen führen das unerklärte höhere Armutsrisiko auf strukturellen Ableismus zurück – ein Konzept, das sich auf systemische, institutionelle und kulturelle Barrieren bezieht, die Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige abwerten und benachteiligen. Dieser Ableismus äußert sich in diskriminierenden Einstellungen und Vorurteilen, unzureichender sozialer und beruflicher Unterstützung sowie politischen Rahmenbedingungen, die auf normalisierte Erwerbsbiografien ausgerichtet sind und spezifischere Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen und ihren Angehörigen nur unzureichend berücksichtigen.

Kontext des österreichischen Sozialsystems

Die Studie betont den Einfluss des konservativ-korporatistischen österreichischen Wohlfahrtsstaates, der stark an Erwerbsarbeit gekoppelte soziale Absicherung sowie familienbasierte Pflege vorsieht. Dies führt zu institutionellen Hürden bei der sozialen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, da Unterstützungsleistungen fragmentiert und bedarfsgeprüft sind und häufig auf familiäre Versorgung abstellen. Solche Strukturen verstärken die Armutsgefährdung trotz formaler sozialer Sicherheit.

Schlussfolgerungen und Handlungsbedarfe

Die Autorinnen plädieren für eine vertiefte Forschung zur Identifikation der strukturellen Ursachen und Diskriminierungsmechanismen. Gleichzeitig fordern sie politische Maßnahmen, die Barrieren abbauen, inklusive Beschäftigung fördern und solidarische Unterstützungsstrukturen schaffen, um das Armutsrisiko von Haushalten mit Menschen mit Behinderungen zu reduzieren. Eine stärkere Einbeziehung dieser Personen in die Gesetzgebung und Umsetzung sozialpolitischer Maßnahmen wird als zentral erachtet, um ihre Rechte und eine selbstbestimmte Lebensführung zu gewährleisten.

Ableism in Academia – Strategien für die inklusive Hochschulpraxis

Unter diesem Titel diskutierte Nicole Brown (University College London) Strukturen und Kulturen, die die akademische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen und neurodivergenten Personen erschweren. Die Veranstaltung fand am 4. November 2025 statt und wurde von der Abteilung Gleichstellung, Chancengerechtigkeit und Vielfalt sowie dem Betriebsrat für das wissenschaftliche Universitätspersonal an der Johannes Kepler Universität Linz organisiert.

Unsichtbarkeit und strukturelle Ausschlüsse

In ihrer Einleitung zum Thema benannte die Moderatorin Angela Wegscheider einen zentralen Widerspruch: Würde sich der Anteil von Menschen mit Behinderungen in der österreichischen Bevölkerung (etwa 15 %) auch in der Universitätsstatistik widerspiegeln, müssten an der JKU rund 3.500 Studierende und 450 wissenschaftlich Beschäftigte mit Behinderungen erfasst sein. Die tatsächlichen Zahlen liegen jedoch deutlich darunter, was auf fortbestehende Barrieren im Bildungs- und Wissenschaftssystem hindeutet.

Nicole Brown verdeutlichte in ihrem Vortrag, dass Ableismus – also die gesellschaftliche und institutionelle Bevorzugung nichtbehinderter Normen – an Hochschulen tief verankert ist. Strukturelle Unsichtbarmachung, mangelnde Sensibilität bei Universitätsangehörigen und institutionelle Praktiken führen dazu, dass viele behinderte oder chronisch kranke Personen ihre Beeinträchtigung nicht offenlegen. „Disclosure“, so Brown, sei meist ein komplexer Aushandlungsprozess zwischen Risiko und Notwendigkeit, eine „Cost-Benefit-Analyse“ im Spannungsfeld von Stigma und Selbstschutz.

Forschungsperspektive: Embodied Inquiry

Methodisch präsentierte Brown ihren Ansatz der „Embodied Inquiry”, bei dem körperliche und sinnliche Erfahrungen als zentrale Wissensquelle betrachtet werden. Dadurch wird Forschung zu einem relationalen, verkörperten Prozess, der über sprachliche Repräsentationen hinausgeht. Mithilfe kreativer und visueller Methoden, wie der Gestaltung von „Identity Boxes” oder bildhaften Darstellungen akademischer Räume, versucht Brown, individuelle Erfahrungswelten sichtbar zu machen und institutionelle Strukturen erfahrbar zu kritisieren.

Dieser Forschungszugang ist auch theoretisch in der Phänomenologie und Hermeneutik verankert und knüpft an gegenwärtige Diskussionen in den Disability Studies über affektive, leibliche und epistemische Dimensionen von Behinderung an.

Wege zu inklusiver Praxis

Am Ende gab Brown noch praktische Empfehlungen. Auf persönlicher Ebene plädierte sie für ein Klima der Offenheit, gegenseitiger Unterstützung und Solidarität. Auf institutioneller Ebene forderte sie, Prekarität und befristete Verträge abzubauen, flexible Arbeitsmodelle auszubauen und universitäre Richtlinien im Hinblick auf Diskriminierungsrisiken und Ableismus systematisch zu überprüfen. Förderinstitutionen sollten, so Brown, inklusive Kriterien entwickeln, die unterschiedliche Lebensrealitäten anerkennen und strukturelle Ungleichheiten nicht reproduzieren.

„Nothing about us without us“

Den Abschluss bildete der Aufruf, Behinderung nicht länger als Randthema, sondern als zentralen Bestandteil wissenschaftlicher Kultur zu verstehen. Die Weiterentwicklung der Universität in Richtung mehr Inklusion, auch in der Lehre, und Forschung dazu muss mit dem Prinzip „Nothing about us without us“ verbunden sein. Dazu müsse die Universität attraktiv für mehr Menschen mit Behinderungen sein.

Die lebhafte Diskussion im Anschluss zeigte das große Interesse an der Frage, wie sich diese Ansätze in den universitären Alltag und die Forschungspraxis übersetzen lassen.

In ihrem Vortrag verdeutlichte Brown, dass Inklusion nicht allein eine Frage der Barrierefreiheit ist, sondern eine grundlegende kulturelle Veränderung in Haltung und Wahrnehmung erfordert. Weitgehende Barrierefreiheit ist eine Notwendigkeit, Vielfalt eine Ressource.

Invisible Barriers, Embodied Knowledge: Rethinking (Dis)Ability and Inclusion in Academia

The Division of lnclusive Education at the Vienna university invites to a lecture and workshop on this topic. Both will be held in English, and discussions will take place in English and German. The events are organised by Michaela Joch and Sabine Weiß. Both events are open to students from all disciplines and to the interested public

Disclosure dances: disabled, chronically ill and/or neurodivergence in academia
Lecture by Prof. Dr. Nicole Brown

Monday, 3 November 2025, 12:00-13:30
Lecture HaII 1, Sensengasse 3a
and via Zoom: https://univienna.zoom.us/j/64725339475?pwd=9CLNOANXyvMZHMLhr22t0BqWuqDIyC.1
Meeting passcode: 624449


Where are all the disabled academics? From statistics we know that disclosure of (dis)abiIity rates amongst academic staff and postgraduate research students are much lower than in the general population or amongst undergraduate students. However, there is no evidence that invisible disabilities are less prevalent in higher education. In this presentation, Nicole Brown draws on her extensive research into the lived experience of ableism in academia to explore disclosure. Brown commences with a brief introduction to Embodied Inquiry and her use of creative research methods for data collection. She then discusses how individuals are struggling to reconcile working and studying in what appears to be an inclusive environment with the realities of negotiating structural barriers, attitudinal challenges and managing symptoms of their conditions. Brown concludes with some suggestions on what we can do as individuals to improve practices within academia and thereby support those with disabilities, chronic illnesses and/or neurodivergences.

AbIeism in Academia – Being DisabIed,ChronicaIIy iII and/or Neurodivergent in Higher Education
Workshop by Prof. Dr. Nicole Brown

Monday, 3 November 2025, 14.00-16.00
Lecture HaII 1, Sensengasse 3a


In a subsequent workshop, participants are invited to explore the topic in more depth and engage in further exchange. Please note that the workshop is offered exclusively on-site, and due to limited space, the number of participants is restricted; therefore, registration is required. To participate, please send an informal email to Adrijana Novakovic (adrijana.novakovic@univie.ac.at) by 30 October 2025. No registration is required for attending the lecture.

Academia as an environment is often difficult to navigate for staff and students who have disabilities, chronic illnesses and/or neurodivergence. In this workshop, attendees will take an autoethnographic, reflexive approach to exploring disabilities, chronic illnesses and neurodivergence in academia. Delegates engage with theoretical approaches from disability studies, sociology and education, and connect these with representations of academics and academia in popular culture, film, media, and literature. Through these conceptualizations along with practical examples, strategies, and an emphasis on developing action points, attendees develop insight into the reality and lived experience of those in academia with disabilities, chronic illnesses and/or neurodivergence, and how to make academia more accessible.

Dr Nicole Brown is Associate Professor at the UCL Institute of Education. A leading voice in embodied research, she draws on creative, arts-based methods to challenge conventional approaches to researching ableism, disability, chronic illness, and neurodivergence in higher education. Her research foregrounds lived experience and advocates for new ways of listening, speaking, and representing experience that drive cultural, institutional, and structural change. Nicole’s publications include Lived Experiences of Ableism in Academia: Strategies for Inclusion in Higher Education and Ableism in Academia: Theorizing Experiences of Disabilities and Chronic Illnesses in Higher Education. Her next book will be the creative anthology Exceptionally Able.

Einladung_3.11.

Unterschriftenaktion zum Erhalt von bidok

„Das Sozialministeriumservice (SMS) Tirol beendet im Zuge massiver Einsparungen seine Förderung für das Projekt bidok. Das SMS beschränkt seine Förderung nurmehr auf individuelle Leistungen der Arbeitsmarktintegration. Das Projekt bidok wurde seit 2005 vom Sozialministeriumservice Tirol mit Personalkosten gefördert und diente der Information und Forschung zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen sowie der öffentlichen Sensibilisierung für Inklusion in Arbeit und Bildung.“

bidok

„Wenn Sie bidok unterstützen möchten und wollen, dass der Verein bidok die Projektinhalte und die Angebote an barrierefreien, öffentlich und kostenlos zugänglichen Texten, (Lehr-)Materialien und Beratungen fortsetzt, dann bitten wir Sie um Ihre Unterschrift auf unserer Unterstützer:innen-Liste. Hier können Sie für den Erhalt von bidok unterschreiben“: https://tinyurl.com/bidok-unterschrift

Alle weiteren Informationen zum Ende der Projektfinanzierung sind hier zu finden: https://bidok.uibk.ac.at

Ankündigung der Tagung

Tagung „Schattenbilder. Nachwirkungen von (NS-) „Eugenik“ und „Euthanasie“ in Theorie und Praxis des österreichischen Gesundheits- und Sozialwesens 1945 bis 2025“


Wann: 12. September 2025, 12:00-19:00 Uhr
Ort: Sigmund Freud Privatuniversität Linz, Adalbert-Stifter-Platz 2, 8. Stock, 4020 Linz. Die Tagung findet hybrid statt (Teilnahme vorort oder online möglich).

Die interdisziplinäre Tagung „Schattenbilder“ widmet sich den Nachwirkungen von (NS-) „Eugenik“ und „Euthanasie“ im österreichischen Gesundheits- und Sozialwesen von 1945 bis in die Gegenwart. Ziel ist es, die Persistenz eugenischer Denkfiguren und Praktiken kritisch zu beleuchten und ihre Bedeutung für heutige medizinische, psychotherapeutische, gesellschaftliche und technokulturelle Diskurse sichtbar zu machen.

Forscher-innen aus Geschichte, Psychotherapiewissenschaft sowie Sozial- und Kulturwissenschaften diskutieren Kontinuitäten und Transformationen: vom Massensterben in Nachkriegsanstalten über Geschlechterbilder in der Psychiatrie und Psychotherapie, den Umgang mit Erinnerungskultur bis hin zu aktuellen Debatten um Transhumanismus und biopolitische Selbstoptimierung. Auch die kritische Reflexion autoritärer und eugenischer Muster in kulturellen Bewegungen der Nachkriegszeit, wie etwa der „Kommune“ am Friedrichshof im Burgenland, wird thematisiert.

Die Tagung wird vom Department für Psychotherapiewissenschaft der Sigmund Freud PrivatUniversität Linz, dem Verein für Sozialgeschichte der Medizin in Kooperation mit dem Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim organisiert und findet am 12.09.2025 von 12:00-19:00 Uhr hybrid statt (Teilnahme vorort oder online möglich). Sie lädt zur aktiven Auseinandersetzung mit verdrängten Kontinuitäten und ethischen Fragen ein, die für die Gegenwart von hoher Relevanz sind.

Allgemeine Informationen

Anmeldungen zur Tagungsteilnahme werden bis spätestens 08.09.2025 erbeten. Die Anmeldungen bitte per E-Mail an ptw-linz@sfu.ac.at. Bitte geben Sie an, ob Sie in Präsenz oder online teilnehmen möchten.

Die Tagung wird vom Department für Psychotherapiewissenschaft der Sigmund Freud PrivatUniversität Linz, dem Verein für Sozialgeschichte der Medizin in Kooperation mit dem Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim organisiert.

Tagungsorganisation: Carlos Watzka und Elisabeth Schäfer

Das Programm finden Sie hier zum Downloaden:

Für Erhalt und Ausbau der Disability Studies – Jetzt Petition unterzeichnen!

Disability Studies in der Krise – Appell zur institutionellen Sicherung

Obwohl die Disability Studies seit den frühen 2000er-Jahren an Universitäten und Hochschulen im deutschsprachigen Raum vertreten sind (z. B. Uni Innsbruck, ZeDiSplus in Hamburg, iDiS in Köln, BODYS in Bochum), mangelt es noch immer an einschlägigen Professuren, personeller Ausstattung und eigenständigen Studiengängen. Diese und andere Mängel und die Forderungen dagegen sind in einem kürzlich veröffneten Appell in schwerer und einfacher Sprache nachlesbar: Disability Studies bedroht: Kritisch-emanzipatorische Wissenschaft schützen und stärken! – Arbeitsgemeinschaft Disability Studies (AGDS)

Aktuelle Bedrohungslage
Wissenschaftler-innen warnen vor Kürzung bei Disability Studies“, so lautet der Titel eines Interviews mit Prof. Dr. Anne Waldschmidt, das am 8. August 2025 in der Sendung „Campus & Karriere“ im Deutschlandfunk ausgestrahlt wurde. Hintergrund ist die Petition: „Disability Studies bedroht: Kritisch-emanzipatorische Wissenschaft schützen und stärken!“ Diese auf campact eingestellte Petition richtet sich an Entscheidungsträger*innen in Deutschland. Grund dafür ist, dass ZeDiSplus in Hamburg und die iDiS-Forschungsstelle in Köln – zwei zentrale Strukturen der Disability Studies in Deutschland – sind durch Kürzungen und Schließungspläne massiv bedroht sind. 

Wissenschafts- und gesellschaftspolitische Bedeutung
Der Abbau dieser Einrichtungen widerspricht dem öffentlichen Auftrag von Hochschulen, Inklusion, Teilhabe und Menschenrechte zu fördern. Parallel dazu droht ein Verlust internationaler Vernetzungen, Drittmittelpotenziale und akademischer Sichtbarkeit. Mehr noch: Ohne stabile institutionelle Grundlage wird die Fähigkeit untergraben, soziale Ungleichheiten, Diskriminierungsmechanismen und Machtverhältnisse mithilfe der Disability Studies zu analysieren und die Gesellschaft in allen Bereichen inklusiv zu gestalten.

Link zur Petition

Appell Disability Studies_2025 – English Version

Appell Disability Studies inkl Erstunterzeichnungen

Neuerscheinung: Das erste Buch über den Nationalsozialismus in Österreich in Leichter Sprache

 

Der Historiker Gunnar Mertz und die Übersetzerin in Leichter Sprache Lina Maisel haben die erste leicht verständliche Gesamtdarstellung der NS-Zeit in Österreich verfasst.

Das Buch ist in acht Kapitel unterteilt, die einzeln gelesen werden können. Sie behandeln Themen wie den Nationalsozialismus, den „Anschluss”, Verfolgung und Vernichtung, Menschen mit Behinderungen, den Zweiten Weltkrieg, Widerstand, Befreiung und Erinnerung. Am Ende des Buches befindet sich ein Wörterbuch, das schwierige Wörter erklärt, die im Text fett markiert sind. Es ist im Haymon Verlag erschienen und gratis als pdf downloadbar: http://www.inklusiv-erinnern.at/ 

Mit diesem Buch wollen die Autor-innen Pionierarbeit leisten und ein Vakuum in der politischen Bildung in Österreich füllen. Die Mitverantwortung Österreichs am Holocaust und am Zweiten Weltkrieg steht außer Frage, ebenso die damit verbundene Verantwortung, Forschungs- und Bildungsarbeit zu betreiben. Das Recht auf Bildung obliegt allen Menschen. Egal, ob sie von funktionalem Analphabetismus, Lernschwierigkeiten oder eingeschränktem Sprachverständnis betroffen sind. Die Leichte Sprache macht ein vielschichtiges Thema verständlich und begreifbar. Sie eröffnet allen die Möglichkeit, komplexe Inhalte zu verstehen und überwindet damit Barrieren in der Bildung.

Das Buchprojekt war inklusiv ausgelegt: Menschen mit Behinderung waren in allen Phasen beteiligt und haben den Text auf Verständlichkeit überprüft. Zudem beriet ein Fachbeirat auf inhaltlicher Ebene. Das Buch wurde vom Bundeskanzleramt, dem Sozialministerium sowie dem National- und Zukunftsfonds gefördert.Ich habe dem Fachbeirat angehört.

Ich finde das Buch sehr gelungen: Der Inhalt des Buches ist auf das Wesentliche fokussiert, es ist gut geschrieben und grafisch gut aufbereitet. Es ist für ALLE mit Sicherheit sehr lesenswert.

In Leichter Sprache lesen:

Leicht verständliche Geschichte In dem Buch geht es um:
Das größte Verbrechen der Geschichte.
Es gab Millionen Morde.
Es geht um den National-Sozialismus in Österreich.
Es ist das erste Buch zu dem Thema in Leichter Sprache.
Es erzählt leicht verständlich: Was passierte damals in Österreich?
Was war der 2. Welt-Krieg?
Welche Folgen hat diese Zeit bis heute?
Der National-Sozialismus gehört zu unserer Geschichte.
Es ist wichtig, etwas darüber zu wissen und sich zu erinnern.
Damit wir die heutige Zeit besser verstehen.
Und solche Verbrechen nie wieder passieren.
Viele Menschen sind vom Wissen über Geschichte ausgeschlossen.
Mertz und Maisel machen Geschichte für mehr Menschen zugänglich.
Das Buch ermöglicht mehr Teilhabe an der Erinnerung.

13th ALTER Conference: Transformations

Von Laura Hochsteiner

Von 8. bis 10. Juli 2025 fand in Innsbruck die 13. Konferenz der Europäischen Gesellschaft für Disability Research (ALTER) mit dem Thema „Transformations“ statt. Den Auftakt bildete das Disability Studies Vernetzungstreffen, das von Volker Schönwiese, Angela Wegscheider und Laura Hochsteiner (für DiStA) gemeinsam mit Bertold Scharf und Karin Sauer (für Netzwerk Disability Studies) als Pre-Event organisiert wurde. Bei diesem hybriden Treffen waren Forscher-innen nicht nur aus dem deutschsprachigen Raum, sondern auch aus dem internationalen Kontext vertreten. Genaueres ist im Nachbericht zum Vernetzungstreffen (8. Juli 2025) nachzulesen.

v.l.n.r.: Angela Wegscheider und Laura Hochsteiner von DiStA, sowie Bertold Scharf (Netzwerk Disability Studies) und Barbara Neukirchinger von der Hochschule Bremen

Im Verlauf der ALTER Tagung wurde eine große Bandbreite an Themen, Disziplinen und Zugängen abgedeckt. Panels inkludierten Beiträge zu Behinderung und unter anderem Aktivismus, Repräsentation, Recht, Inklusion, Arbeit, Ausbildung, Archiv-/Museumsarbeit, Identität, Deinstitutionalisierung und Barrierefreiheit. Die Abstracts können hier eingesehen werden: https://alterconf2025.sciencesconf.org/data/pages/ALTER_Index_2.pdf

Neben Paper-Präsentationen wurden verschiedene Workshops abgehalten. Petra Flieger, Natalie Mair, Volker Schönwiese und Angela Wegscheider beispielweise leiteten einen Workshop zu „History of the Disability Rights Movement in Austria“, bei dem ihr Projekt zur Geschichte der Behindertenbewegung in Österreich und ihr Projektwebsite ausführlich vorgestellt wurden. Link zur Projektwebsite: https://bidok.uibk.ac.at/projekte/behindertenbewegung/.

v.l.n.r.: Angela Wegscheider, Natalie Mair, Petra Flieger. Über Zoom: Volker Schönwiese

Die nächste ALTER-Konferenz wird voraussichtlich 2026 in Plzeň (Tschechien) stattfinden.

 

Nachbericht zum Disability Studies Vernetzungstreffen

Als Pre-Event zur ALTER-Konferenz an der Universität Innsbruck luden DiStA (Disability Studies Austria, Forschung zu Behinderung, Österreich) und das Netzwerk Disability Studies am 8. Juli zu einem Vernetzungstreffen deutschsprachiger Forscher-innen in den Disability Studies ein.

Es nahmen 21 Personen vor Ort und 23 Personen online teil. Die Organisator-innen waren Laura Nadine Hochsteiner, Volker Schönwiese und Angela Wegscheider von DiStA sowie Bertold Scharf und Karin Elinor Sauer vom Netzwerk für Disability Studies.

Zunächst machten wir eine kurze Vorstellungsrunde der Anwesenden im Raum und in Zoom und stellten die Ziele und die Arbeit von DiStA und dem Netzwerk für Disability Studies vor. Schließlich wollten wir der Diskussion und Identifizierung von Problemen und Handlungsspielräumen viel Zeit geben und eine Resolution zum Erhalt von ZeDis behandeln, die an uns herangetragen wurde.

Einzelne Teilnehmer-innen berichteten von ihren Erfahrungen mit den Disability Studies an ihren Bildungseinrichtungen. In den unterschiedlichsten Disziplinen wird bereits im Sinne der Disability Studies gearbeitet. Es gibt einige sehr interessante Initiativen in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland, aber es drohen auch Rückschläge. Vor allem das einmal Erreichte, wie der Lehrstuhl an der Universität zu Köln oder der Schwerpunkt in den Erziehungswissenschaften an der Universität Wien, hängt oft an einzelnen Personen. Nach deren Pensionierung gehen diese verloren. Aber auch die Beendigung von befristeten Förderungen wie beim ZeDiSplus in Hamburg stellen ein Problem dar. Andere Problemlagen ergeben sich durch fehlende wissenschaftliche Anerkennung, fehlende Forschungsprogramme oder Vereinnahmungen unterschiedlichster Art. Bertold Scharf stellte die Resolution zum Erhalt von ZeDis in Hamburg vor. Das Dokument ist unten downloadbar.

Das Ziel, sichtbarer zu werden und deutlicher aufzutreten, wird formuliert. Die Idee einer Kampfschrift oder eines Manifests wird eingebracht. Als Ausgangspapiere sollen das im Jahr 2019 formulierte Positionspapier von DiStA (siehe DiStA-Startseite) sowie die Resolution zum Erhalt von ZeDis dienen. In Kürze wird eine Arbeitsgruppe dazu eingerichtet.

Ziel des Treffens war es, Menschen zusammenzubringen, die im Bereich der Disability Studies in Österreich und anderen deutschsprachigen Ländern arbeiten. Dies hat sich voll erfüllt. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit für das Manifest und ein baldiges Wiedersehen – persönlich oder online.

Personen, die Kontakt zu DiStA (Disability Studies Austria, Forschung zu Behinderung, Österreich) und/oder zu Netzwerk Disability Studies suchen, können sich gerne melden bei angela.wegscheider@jku.at oder Bertold-Peter.Scharf@hs-bremen.de.

Spannende Medienbeiträge zu Disability Studies in Österreich

Im DER STANDARD Gastblogbeitrag schreibt Katta Spiel (TU Wien), wie Technologien im Kontext von Behinderung oft an den Bedürfnissen Betroffener vorbei entwickelt werden und warum stattdessen einfache, solidarische und selbstbestimmte Zugänge gefragt sind (9. Juli 2025). https://www.derstandard.at/story/3000000277671/zugang-zu-technologien-was-wirklich-zaehlt
 
Von 8. bis 10. Juli 2025 fand an der Universität Innsbruck eine Disability Studies Tagung statt (https://alterconf2025.sciencesconf.org/). Auf ORF Science wurde am ersten Tag der Tagung ein Beitrag veröffentlicht, der vorstellt was die Disability Studies sind, wie es darum steht und warum sie wichtig sind: https://science.orf.at/stories/3230942/
 
ORF Tirol hat am 29. Juni 2025 eine Story über Volker Schönwiese veröffentlicht: https://tirol.orf.at/stories/3306799/ (zum Nachlesen)
Hier noch der Link zum Fernsehbeitrag in der Sendung „Tirol heute“ vom 28. Juni zum Nachschauen: https://on.orf.at/video/14282038/tirol-heute-vom-28062025 (es ist der letzte Beitrag, Dauer: ca 5 min)