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Zu Menschen mit Behinderungen in Österreich und deren Arbeitsmarktzugang

Dieser Beitrag wurde von Marcel Wolf, Student im Bachelorstudium Sozialwirtschaft, im Rahmen der LVA Österreichische Politik, Schwerpunkt Gleichstellungspolitik erstellt.

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) stellt einen wichtigen Meilenstein dar; Diskriminierung soll bekämpft, und Gleichberechtigung gefördert werden. Ein wesentlicher Akzent wird auf Inklusion statt einfacher Integration gesetzt; niemand darf aus einem Lebensbereich exkludiert werden. In Bezug auf Beschäftigung bedeutet das, dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigt arbeiten dürfen. (vgl. Essl, 2021, S. 79f) Dennoch sind Menschen mit Behinderungen nicht nur öfter, sondern auch länger arbeitslos als Menschen ohne Behinderung. (vgl. Bruckner, 2019, S. 176)

Zahlen zu Behinderung in Österreich und weltweit

Laut WHO lebten 2019 rund 15 Prozent der Weltbevölkerung mit einer Behinderung. Das entspricht mehr als einer Milliarde Menschen. Einer Erhebung der Statistik Austria zufolge waren es 2015 18,4 Prozent der österreichischen Wohnbevölkerung, die mit einer dauerhaften Behinderung lebten; hochgerechnet 1,3 Millionen Menschen. Wenn man das Bevölkerungswachstum berücksichtigt, waren es 2021 schon 1,7 Millionen. (vgl. Essl, 2021, S. 81) Auch deshalb ist das Thema besonders aktuell.

Herausforderungen

Eines der Ziele der UN-BRK ist es, die Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Konkret heißt das, dass ein Mindestmaß an Sonderarbeitswelten, ein inklusiver Arbeitsmarkt und eine dem Bedarf entsprechende Vergütung angestrebt werden soll. Die gegenwärtige Situation ist jedoch eine andere. Menschen mit Behinderungen, die keine Erwerbsarbeit bekommen, sehen sich mit Ersatzarbeitsmärkten und minderwertigen Sonderbeschäftigungsverhältnissen konfrontiert. (vgl. Wegscheider / Schaur, 2019, S. 47)

Trotz fehlender Daten lässt sich anhand eines 2018 veröffentlichen Reports weltweit eine deutliche Benachteiligung für Menschen mit Behinderungen feststellen. Menschen mit Behinderungen im Alter von 15 und aufwärts sind im Vergleich zu jenen ohne Behinderung halb so oft beschäftigt. Weiters ist die Entlohnung von Menschen mit Behinderungen meistens auch geringer. (vgl. Essl, 2021, S. 83)

Nach dem Behinderteneinstellungsgesetz sind in Österreich Unternehmen mit mehr als 24 Mitarbeiter-innen dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderungen anzustellen. Diese Verpflichtung wird jedoch nur von 22 Prozent dieser Unternehmen erfüllt. Weiters werden Menschen mit Behinderungen, die viel Unterstützung brauchen, nach der Schule oft als arbeitsunfähig erklärt. Das Einzige, was ihnen dadurch noch offensteht, ist die Tagesstruktur. Dort waren 2019 23.000 Menschen mit Behinderungen tätig. Sie erhalten nur ein Taschengeld und haben keinen Anspruch auf eigene Kranken- oder Pensionsversicherung. Für sie gelten auch die gesetzlichen Arbeitnehmer-innenrechte nicht. (vgl. Bruckner, 2019, S. 176)

Nationaler Aktionsplan für Behinderung 2022-2030

Einer Presseaussendung des Behindertenrates zufolge bedeutet der Nationale Aktionsplan (NAP) für Behinderung 2022-2030 eine Verschlechterung der Situation. Trotz positiver Herangehensweisen werden manche wichtigen Gebiete im NAP nicht oder nicht genügend berücksichtigt. Auch im Bereich der Beschäftigung ist das der Fall. Außerdem ist das Budget nicht ausreichend. (Behindertenrat, 2022)

Call for Action

Der österreichische Behindertenrat legte 2019 schon eine Reihe an Empfehlungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt vor, unter anderem:

  • Die Bereitstellung von Maßnahmen der Unterstützten Beschäftigung, sowie etwa persönliche Assistenz am Arbeitsplatz
  • Die Ausrichtung aller Unterstützungsmaßnahmen für Menschen mit Behinderung auf die Chance an Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt
  • Die Gewährleistung von allenfalls notwendigen Lohnkostenzuschüssen an Unternehmen von der öffentlichen Hand
  • Eine zügige Krisenintervention bei Entstehung von Krisen im Unternehmen, die eine Bedrohung der Beschäftigungsverhältnisse darstellt
  • Die Bereitstellung und Finanzierung von Sozialökonomischen Betrieben, Beschäftigungsgesellschaften und des Ausbaus der integrativen Betriebe durch die Aktive Arbeitsmarktpolitik des AMS

Auch in Bezug auf Rehabilitation und Wiedereinstieg in den Beruf bietet der Behindertenrat eine Liste von Vorschlägen. (Behindertenrat, 2019) Die Lage scheint sich jedoch durch den NAP 2022-2030 eher verschlechtert zu haben, bevor sie sich hoffentlich zum Besseren wendet. Insbesondere nach dem NAP 2022-2030 scheint die Umsetzung der UN-BRK noch einen weiten Weg vor sich zu haben. Trotz der Dringlichkeit, mit der dieses hoch relevante Thema gehandhabt werden sollte, ist also hier eher von einem Rückschlag zu sprechen. In Österreich sind Menschen mit Behinderungen nur halb so oft beschäftigt wie Menschen ohne Behinderungen. Ersatzarbeitsmärkte sind immer noch geläufig. Es sei hier auf die Vorschläge des Behindertenrates verwiesen, die leider bisher auf taube Ohren stießen.

Marcel Wolf ist Student im Bachelorstudium Sozialwirtschaft.

Marcel Wolf, Autor

Literaturverzeichnis:

Behindertenrat (2019): Strategische Vorschläge für einen inklusiven Arbeitsmarkt. Umsetzungsvorschläge zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt in Österreich. https://www.behindertenrat.at/wp-content/uploads/2019/07/strategische-Vorschl%C3%A4ge_2019.pdf (aufgerufen am 11/01/2023)

Behindertenrat (2022): Nationaler Aktionsplan Behinderung: Nicht mehr als Lippenbekenntnisse. https://www.behindertenrat.at/2022/07/nationaler-aktionsplan-behinderung-nicht-mehr-als-lippenbekenntnisse/ (aufgerufen am 11/01/2023)

Bruckner, B. (2019): Umsetzung der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) in Österreich, in: Biewer, G. / Proyer, M. (Hrsg): Behinderung und Gesellschaft. Ein universitärer Beitrag zum Gedenkjahr 2018, Wien: Institut für Bildungswissenschaft, Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft, University of Vienna, S. 163-179

Essl, M. (2021): Warum Menschen mit Behinderung für Unternehmen eine echte Bereicherung sind, in: Sihn-Weber, A. (Hrsg): CSR und Inklusion. Bessere Unternehmensperformance durch gelebte Teilhabe und Wirksamkeit, Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, S. 79-95

Wegscheider, A. / Schaur, M. (2019): Arbeit und Beschäftigung von arbeitsmarktfernen Menschen mit Behinderungen in Oberösterreich, SWS-Rundschau, 59 (1), S. 46-65