Archiv des Autors: Angela Wegscheider

Neuer Artikel erschienen

Wir möchten Sie auf den Artikel von Lisa Maria Hofer in der Österreichischen Zeitschrift für Geschichtswissenschaften (Bd. 35 Nr. 3 2024) aufmerksam machen. Der Band ist insgesamt für die Disability Studies spannend, er widmet sich der  Intersektionalität. Perspektiven aus Geschichtswissenschaften und Geschichtsdidaktik: Bd. 35 Nr. 3 (2024): Intersektionalität. Perspektiven aus Geschichtswissenschaften und Geschichtsdidaktik | Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften

Lisa Maria Hofer fordert in ihrem Artikel neue historische Methoden zur Untersuchung von Behinderung aus einer intersektionalen historischen Perspektive. Das Linzer „Institut für Taubstumme“ dient als Fallstudie mit zwei Mikrobiografien aus dem 19. Jahrhundert und einer neuen semi-partizipativen Methode, die die Gehörlosengemeinschaft einbezieht. Der Artikel soll zeigen, inwieweit das Erfahrungswissen der Betroffenen einen Mehrwert für die Interpretation der Geschichte der Behinderung darstellen kann. Das Erfahrungswissen wird in einem semi-partizipativen Prozess gesammelt. Das Verfahren und der theoretische Hintergrund werden im Artikel beschrieben und angewendet.

Hier gehts zum Artikel: OeZG-2024-35-3-7_Hofer

 

Weiße Sprechblase auf grauem Hintergrund mit Fragezeichen und Ausrufezeichen. In der Sprechblase steht: Kurzportraits und das DiStA Logo ist abgebildet.

4. Kurzportrait der Serie „Wer ist bei DiStA aktiv?“

Seit einiger Zeit und noch in den kommenden Monaten stellen wir mit unserer Kurzportraitserie Personen vor, die sich im Rahmen von DiStA engagieren.

Auf dem Bild ist Rahel More. Eine lächelnde junge Frau mit langen Haaren und weißem Blazer. Sie steht angelehnt an eine Saule.

Credit: derknopfdruecker.com

Rahel More , mit welchen Themen beschäftigst du dich in deiner Forschung bzw. Arbeit?

Ich bin Erziehungswissenschaftlerin und arbeite an der Universität Wien, Institut für Bildungswissenschaft und an der Universität Graz, Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft. In meiner Forschung beschäftige ich mich aktuell vor allem mit einer feministischen intersektionalen Konzeption von Ableism (https://ableism.univie.ac.at) sowie mit Inklusion im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe im internationalen Vergleich (https://erziehungs-bildungswissenschaft.uni-graz.at/de/ueber-das-institut/fachbereich-sozialpaedagogik/forschung-und-publikationen/#c604246).

Ein weiteres aktuelles Forschungsthema ist die De-Institutionalisierung.
Seit wann bist du bei DiStA aktiv?


Zum ersten Mal auf DiStA gestoßen bin ich über diese Homepage, das war 2016 oder 2017. Ich war dann bei einigen von DiStA organisierten Ringvorlesungen und Vernetzungstreffen dabei, bevor ich um 2020 herum begonnen habe mich gemeinsam mit den Kolleginnen aktiver im Rahmen von DiStA zu engagieren. Seitdem wirke ich u.a. an der Befüllung der Homepage mit und bin im Organisationsteam der jährlichen DiStA Forschungswerkstatt.

Warum bzw. wofür engagierst du dich bei DiStA?

Mir ist die Sichtbarkeit der Disability Studies in Österreich und darüber hinaus ein Anliegen. Forschung, Lehre und wissenschaftspolitische Bestrebungen in unserem Bereich sollen verbreitet, weiterentwickelt und diskutiert werden. Der Austausch mit Personen, die im Sinne der Disability Studies arbeiten und forschen ist dafür gewinnbringend. Gerade die Vernetzung mit Studierenden und Wissenschaftlerinnen am Beginn ihrer wissenschaftlichen Laufbahn ist uns bei DiStA wichtig. Wir freuen uns, wenn Interessierte sich einbringen und DiStA z.B. im Rahmen einer Forschungswerkstatt kennenlernen oder uns über die Homepage kontaktieren.

ACHTUNG: Interessante PhD Stellen

Über das Marie Curie Doctoral Network „Co-construction in the field of social welfare“ werden 15 Doktorandenstellen vergeben. Dies kann für aktuelle Masterstudierende oder Alumni von Interesse sein, insbesondere für Personen mit Berufserfahrung im sozialen Bereich. Marie Curie Doctoral Network ist ein Mobilitätsprogramm.

Jedes Promotionsprojekt wird in Zusammenarbeit mit einem socal service entwickelt, bei dem der Doktorand 50% seiner Zeit verbringen wird. Ein intensives Trainingsprogramm, das von Partnern aus der Forschung und dem Sozialbereich durchgeführt wird, unterstützt die Forschung und die Karriereentwicklung, einschließlich internationaler Studienblöcke alle sechs Monate in einem anderen europäischen Land, Online-Treffen und individuelle Trainingsmöglichkeiten für jeden Forscher. Erste Informationen finden sich unter https://cref.parisnanterre.fr/accueil/cocoso-15-phd-positions-in-2025

Eine Übersicht über alle Doktoratsstellen finden sich im pdf Dokument: Cocoso phd pre announcement 21 nov 2024

The official calls for applications will be launched in January 2025 with an anticipated application deadline of 2 March 2025.

An online information session about the network will be held on Friday, December 6th 2024 from 4 to 5 PM (Paris – CET). This will give an overview of the COCOSO project, including research, training and communication activities. It seeks to explain the feel of the network and the work that the doctoral researchers will undertake. We will also address practical questions about applying for a PhD post.  It is planned that the meeting will be recorded and available on YouTube.  Zoom Link: https://us06web.zoom.us/j/85281270665?pwd=7tCJS5c25fJ70H3tw3bAw4TXDyDoa2.1

CfP für 13. ALTER Tagung in Innsbruck (8. -10. Juli 2025)

ALTER ist die European Asscociation for Disability Research. Die Tagung findet in englischer Sprache an der Universität Innsbruck statt. 
 
Sie bietet Raum für den Austausch der internationalen Inklusions- und Rehabilitationsforschung und den Disability Studies. Siehe die Konferenzseite:
Die Veranstalter*innen hoffen auf zahlreiche Einreichungen und freuen sich besonders über rege Beteiligung aus den Disability Studies
 
Details und den Call for papers (CFP) finden Sie im Anhang (PDF+Word-Datei). Bei Fragen bitte an aurelie.auzas@student.uibk.ac.at wenden.
 
Ab sofort (bis 31. Jänner) können Abstracts für Einzelvorträge, Joint Sessions, Open Spaces und Book Presentations eingereicht werden. 
 
Weiße Sprechblase auf grauem Hintergrund mit Fragezeichen und Ausrufezeichen. In der Sprechblase steht: Kurzportraits und das DiStA Logo ist abgebildet.

3. Kurzportrait der Serie „Wer ist bei DiStA aktiv?“

In den kommenden Monaten stellen wir mit unserer neuen Kurzportraitserie einige Personen vor, die sich im Rahmen von DiStA engagieren.

Angela Wegscheider studierte Sozialwirtschaft und arbeitet als Senior Scientist am Institut für Politikwissenschaft und Sozialpolitik an der Johannes Kepler Universität Linz

Angela Wegscheider, eine Frau mit grauen mittleren Haaren und Brille, gekleidet mit blauem Blazer, steht an einem Rednerpult und spricht.

Mit welchen Themen beschäftigst du dich in deiner Forschung bzw. Arbeit?

Seit 2003 arbeite ich in verschiedenen Positionen am Institut für Politikwissenschaft und Sozialpolitik (vormals Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik) an der Johannes Kepler Universität Linz und aus verschiedenen Perspektiven zu dem Thema Behinderung. Während ich meine Diplomarbeit geschrieben habe, begann ich als Projektmitarbeiterin für eine Informationsplattform für Arbeit und Behinderung an der Uni zu arbeiten. In meiner Dissertation befasste ich mich dann mit der Analyse der Politik für Menschen mit Behinderungen in Österreich. Aktuell liegen meine Forschungsschwerpunkte in den Disability Studies und Disability History, sowie Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik. Zurzeit arbeite ich gemeinsam mit Volker Schönwiese an der Erforschung der 100jährigen Geschichte der Behinderten(rechts)bewegung in Österreich.

Seit wann bist du bei DiStA aktiv?

Ich bin ziemlich zu Beginn zu DiStA dazugestoßen. Ich glaube, es waren Volker Schönwiese und Ursula Naue, die 2009 das erste Vernetzungstreffen in Wien organisiert haben. Da war ich dabei. Es hat mir gut gefallen, endlich Kontakt zu Menschen aufbauen zu können, die nach den Prinzipien der Disability Studies arbeiten und forschen.

Warum bzw. wofür engagierst du dich bei DiStA?

Zum einen aus meinem eigenen biografischen und familiären Hintergrund.  Zum anderen aus meinem fachlichen Hintergrund und meinem Forschungsinteresse. Das Ziel von DiStA ist es, die Forschung und Lehre im Sinne der Disability Studies in Österreich voranzutreiben und auch Menschen zusammenzubringen, die in diesem Sinne arbeiten oder auch arbeiten wollen. Ich halte den Austausch und die Diskussion mit Menschen, die zu ähnlichen Themen, Methoden oder Ansätzen forschen ganz wichtig. Es hilft mir zu lernen und die eigenen Sachen zu reflektieren und einordnen zu können. Forschungscommunities tendieren dazu sich Netzwerke zu schaffen. Wir haben im Rahmen von DiStA regelmäßig Treffen in unterschiedlichen Formaten organisiert. Es sind immer wieder neue spannende Leute dazugekommen. Insbesondere die Einbindung und Förderung der jüngeren Kolleg*innen ist mir ein wichtiges Anliegen.

Lebensgeschichte(n) von Menschen mit Behinderungen

Die Lebensgeschichten von Menschen mit Behinderungen werden in der Geschichtsschreibung und in Sammlungen oft vernachlässigt und daher auch nicht erzählt. Die Österreichische Mediathek hat in einer Interviewreihe in Kooperation mit dem Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim die erzählten Biografien von zehn Menschen mit Behinderung gesammelt und online aufbereitet: Leben mit Behinderung | Mediathek

Die Idee dieser Interviewreihe war es, Menschen mit Behinderungen über ihre Erfahrungen und Erlebnisse aus ihrer Sicht sprechen zu lassen und sehr unterschiedliche Lebensläufe zu sammeln. Fünf Frauen und fünf Männer erzählen von Kindheit und Familie, von Urlaub und Reisen, von Schulbildung und Hobbys, von Beziehungen und Arbeitsalltag, von Sehnsüchten, Wünschen und Träumen. Sie thematisieren zugeschriebene oder tatsächliche Beeinträchtigungen, Hilfebedarfe und Barrieren im Alltag. Die Interviewpartner*innen sprechen auch über Aufenthalte in verschiedenen Betreuungseinrichtungen und Wohnheimen, über ihre Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden und über die Herausforderungen des Lebens im Rollstuhl oder mit persönlicher Assistenz. Selbstbestimmung ist in allen Interviews ein zentrales Anliegen.

Thomas Straßer an seinem Arbeitsplatz im Lern-und Gedenkort Schloss Hartheim, 2021

 

Studie zur Darmkrebsvorsorge für Menschen mit Lernschwierigkeiten: Ergebnisse und Empfehlungen

Inklusion in der Darmkrebsvorsorge: Eine dringende Notwendigkeit

Darmkrebs stellt eine bedeutende Gesundheitsgefahr für alle Menschen und auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten bzw. mit intellektuellen Beeinträchtigungen dar. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten deutlich seltener an Darmkrebsvorsorgeprogrammen teilnehmen. Hier besteht ein klarer Handlungsbedarf: Inklusive und barrierefreie Vorsorgeangebote müssen geschaffen werden, um die gesundheitliche Ungleichheit zu reduzieren.

Barrieren bei der Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen

Die Studie hat eine Reihe von Barrieren identifiziert, die die Teilnahme von Menschen mit Lernbehinderungen an der Darmkrebsvorsorge behindern. Ein zentrales Hindernis ist die fehlende Aufklärung über Vorsorgeuntersuchungen, insbesondere in leicht verständlicher Sprache. Zudem empfinden sie, wie viele Menschen auch, negative Emotionen, wie Angst und Scham, bei medizinischen Untersuchungen, was oft zur Ablehnung von Vorsorgeangeboten führt. Auch systemische Defizite, wie der Mangel an barrierefreien Arztpraxen und fehlende spezifische Schulungen des medizinischen Personals, erschweren den Zugang zur Gesundheitsversorgung.

Empfehlungen zur Verbesserung der Vorsorge

Basierend auf den Erkenntnissen der Studie wird empfohlen, ein flächendeckendes, inklusives Darmkrebsvorsorgeprogramm zu entwickeln. Dieses sollte die Bedürfnisse von Menschen mit Lernschwierigkeiten mitdenken, indem leicht verständliche Informationsmaterialien bereitgestellt und unterstützende Strukturen geschaffen werden. Zudem ist es wichtig, dass das medizinische Personal gezielt für den Umgang mit Menschen mit Behinderungen geschult wird, um negative Erfahrungen zu minimieren und das Vertrauen in die medizinische Versorgung zu stärken. Nur durch solche Maßnahmen kann die Darmkrebssterblichkeit bei dieser besonders vulnerablen Gruppe nachhaltig gesenkt werden.

Die Studie kann hier in leichter und schwerer Sprache heruntergeladen werden.

INNklusion: Entwicklung von Assistenzlösungen für eine inklusivere Zukunft

Von Heidi ULM, studentische Mitarbeiterin an der Universität Innsbruck

Laut dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz leben rund 20 Prozent der österreichischen Bevölkerung mit einer Behinderung1. Trotz der seit knapp 15 Jahren bestehenden UN-Behindertenrechtskonvention, mangelt es nach wie vor an ausreichendem Zugang zu Assistenzlösungen2. Die Initiative INNklusion setzt sich dafür ein, diese Herausforderungen zu bewältigen, indem sie Menschen mit Behinderungen, Studierende, Expert*innen und Organisationen zusammenbringt. Durch verschiedene Lehrveranstaltungen an der Universität Innsbruck entwickeln Studierende im Co-Design Prozess gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen maßgeschneiderte Assistenzlösungen.

Aufbau und Struktur der Lehrveranstaltung

Um bedarfsgerechte und innovative Assistenzlösungen verwirklichen zu können, werden vor Beginn der Lehrveranstaltung Ideen für Entwicklungen von Menschen mit Behinderungen, Interessensvertretungen oder Vereine gesammelt. In den ersten Terminen werden Teams aus Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen, Fachexpert*innen aus Wissenschaft und Praxis, und Personen mit Behinderung gebildet, die ihre Idee einbringt. Im Mittelpunkt steht immer die ideengebende Person mit ihrer Perspektive, der Expertise der eigenen Lebensrealität und Bedürfnissen an die Assistenzlösung. Dieses sogenannte Co-Design garantiert die bedarfsorientierte Entwicklung gut funktionierender Hilfsmittel.

In wöchentlichen Treffen sammeln die Teams in einem iterativen Prozess Ideen, erarbeiten Konzepte, entwickeln und testen Prototypen, und setzen so die vielversprechendste Idee um. Unterstützung erhalten die Teams von den Fachexpert*innen aus Bereichen wie Ingenieurwesen, Marketing oder Ergotherapie, sowie den Lehrveranstaltungsleitenden.

Erfolgreiche Assistenzlösungen

Zu den bereits umgesetzten Assistenzlösungen zählen ein Haargummi für Menschen mit einem Arm, eine Vorrichtung für den Wasserkocher zum Ausgießen von heißem Wasser für Menschen mit Mobilitätseinschränkung oder ein Kommunikationstool für eine Person mit Locked-In-Syndrom. Neben technischen Assistenzlösungen werden übergreifende Projekte bearbeitet, die Barrieren des öffentlichen Raums abbauen sollen. Ein Beispiel hierfür ist die “Stille Stunde” für den Tiroler Lebensmittelhandel. Bei der „Stillen Stunde“ werden sensorische Reize in Supermärkten reduziert, um ein angenehmes Kauferlebnis vor allem für Menschen im Autismus-Spektrum oder neurosensitive Menschen zu gewährleisten.Weitere ausgewählte Beispiele der entwickelten Assistenzlösungen oder laufender Entwicklungen finden sich auf der Webseite von INNklusion.

Pro Semester werden etwa drei Ideen bearbeitet, wobei der Fortschritt jeder Entwicklung aufgrund des Umfangs, der technischen Komplexität sowie der begrenzten Bearbeitungszeit von einem Semester unterschiedlich ausfallen kann. In diesen Fällen kann es in darauffolgenden Semestern, im Rahmen von Bachelor- oder Masterarbeiten sowie von studentischen Mitarbeitenden fertig gestellt werden. Das Ziel von INNklusion bleibt dennoch die Entwicklung individueller und bedarfsorientierte Lösungen bzw. Konzepte.

Fazit nach eineinhalb Jahren INNklusion

Für INNklusion, als junge Initiative hat die stetige Reflexion und Verbesserung der eigenen Arbeit einen hohen Stellenwert. Aus diesem Grund hat das Team von INNklusion 13 halbstrukturierte Interviews mit Teilnehmer*innen aus der Lehrveranstaltung (4 Menschen mit Behinderungen, 5 Studierende, 2 Fachexpert*innen aus dem Bereich Assistenztechnologien, 1 persönliche Assistentin, 1 Behindertenbeauftragte) geführt und die Ergebnisse analysiert. Die Interviews zeigen, dass die Studierenden den direkten Kontakt zu den Endnutzer*innen der Assistenzlösungen aufgrund des schnellen Einholens von Feedback als positiv und wertvoll für die Entwicklung betrachteten. Auch die Interdisziplinarität der Teams wurde geschätzt und als Erleichterung für das Erarbeiten neuer Ideen eingestuft. Die interviewten Menschen mit Behinderungen fühlten sich in ihrer Expertise und Fähigkeiten ernst genommen und wertgeschätzt. 10 Personen aus verschiedenen Interessengruppen betonten die positiven Auswirkungen der Initiative auf die Sensibilisierung und das erweiterte Verständnis der Teilnehmenden für Behinderungen und Behindertenfeindlichkeit in der Gesellschaft3.

Neben der Lehrveranstaltung finden in einem regelmäßigen Intervall sogenannte Ideencafés statt. Diese ermöglichen das Kennenlernen und den Austausch von Ideen aller Interessierten. Das Format wurde als idealer Zusatz zur Lehrveranstaltung bewertet. Zwei interviewte Menschen mit Behinderung waren der Meinung, dass solche Veranstaltungen die Hemmschwelle, um über Wünsche und Bedürfnisse von Assistenzlösungen zu reden, reduzieren. Das Ideencafé soll deshalb auch weiterhin regelmäßig stattfinden, und als fester Bestandteil der Initiative dem persönlichen Austausch und Vernetzen dienen.

Zukünftige Herausforderungen und Ziele

Die Interviews verdeutlichen, dass viele Teilnehmer*innen für das Thema Inklusion bereits sensibilisiert sind. Es bleibt eine Herausforderung Menschen zu erreichen, die bislang keinen Kontakt mit Behinderung hatten. Das Team von INNklusion setzt sich im Rahmen der Initiative ein, die Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit zu verstärken und Inklusionsprojekte auch in Lehrveranstaltungen anderer Fakultäten zu integrieren.

Die Einbindung von Themen wie Behinderung und Barrierefreiheit in die akademische Ausbildung und der aktive Austausch zwischen Studierenden und Menschen mit Behinderungen tragen dazu bei, ein tieferes Verständnis und eine nachhaltige Sensibilisierung zu erreichen.

Heidi ULM hielt eine Präsentation zu diesem Thema bei der DiStA Forschungswerkstatt 2024 am 21. Juni an der Universität Graz.

Quellen:

1 Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (2016): Bericht der Bundesregierung über die Lage der Menschen mit Behinderungen in Österreich 2016.

2 Hartley, Sally. (2011). World Report on Disability (WHO). 10.13140/RG.2.1.4993.8644

3Schmermbeck, K., Ott, O., Ralfs, L., & Weidner, R. (2024). Fostering Inclusion: A Regional Initiative Uniting Communities to Co-Design Assistive Technologies. CoRR, abs/2403.12263. https://doi.org/10.48550/ARXIV.2403.12263

Inklusive Hochschule?

Von Valerie Sophie List

Wie kann ein gut funktionierendes Miteinander zwischen Lehrenden und Studierenden mit Behinderung entstehen? Ein wesentlicher Faktor für Inklusion und Barrierefreiheit an Hochschulen hat viel mit dem Umgang von Lehrenden mit Studierenden mit Behinderung zu tun.

Die aktuelle Ausgangslage von Studierenden mit Behinderung

Denken wir an Studierende, so stellen wir und junge Erwachsene vor, die in Vorlesungen sitzen, geschäftig von Hörsaal zu Hörsaal wandeln oder in Bibliotheken recherchierend und lernend ihre Zeit verbringen. Die Idee, dass Studierende eine Behinderung haben könnten, kommt uns bei dieser Vorstellung überwiegend nicht in den Sinn. Allerdings sind in Österreich nach eigenen Angaben rund 12 % der Studierenden von verschiedenen Einschränkungen oder Behinderungen betroffen, welche von außen oftmals gar nicht wahrnehmbar sind. Zudem kommen immer mehr Personen mit Behinderung an Hochschulen, um sich weiterzubilden und auf der Basis eines Studiums oder eines akademischen Lehrgangs einen konkreten Berufswunsch zu verfolgen. Somit macht diese nicht abschließend definierte Gruppe einen beträchtlichen Anteil an Studierenden aus.

Obwohl die Inskriptionszahlen von Studierenden mit Behinderung in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen haben, handeln Hochschulen nicht proaktiv bzw. vorausschauend und planerisch, sondern im Gegenteil, reaktiv, wenn es um inklusive Bildungsmöglichkeiten für eine diverse Studierendenschaft geht. An der Hochschule angekommen, sind Menschen mit Behinderung nämlich mit den verschiedensten Problemen konfrontiert, die sich über bauliche, technische und soziale Barrieren erstrecken. Logischerweise sind es eben jene Hürden, die Personen daran (be)hindern Erfolge und Fortschritte in ihrem Studium verbuchen zu können und nicht die Disability an und für sich.

Soziale Barrieren an Hochschulen

Die Erkenntnis, dass eigentlich der Umgang mit Behinderung problematisch ist, sollte den Grundstein bilden, Hindernisse an Hochschulen zu beseitigen. Dies ließe sich auch umsetzen. Neue Uni und FH Gebäude können architektonisch inklusiv konzipiert werden und Digitalisierung kann ausgebaut und barrierefrei gestaltet werden. Aber wie sieht es eigentlich mit der dritten Kategorie den sozialen Barrieren und insbesondere mit der Beziehung zwischen Lehrenden und Studierenden mit Behinderung aus?

Lehrende sind ungemein wichtige Schlüsselfiguren für alle Studierenden und aus dem universitären Alltag nicht wegzudenken. Immerhin fungieren sie als Wissensvermittler*innen, Ansprechpersonen und Prüfungsabnehmer*innen sowie Arbeitsbeurteiler*innen. Eine gut funktionierende Beziehung ist daher von Vorteil. Dies trifft vor allem auf Studierende mit Behinderung zu, zumal sie in einem anderen Ausmaß mit Barrieren konfrontiert sind und auf die Kooperationsbereitschaft und Zusammenarbeit ihrer Unterrichtenden angewiesen sind.

In verschiedenen Studien und Befragungen geben Studierende mit Behinderung jedoch an, dass Lehrende für sie die größte Barriere im universitären Alltag darstellen. Aber warum ist dem so? Als Akademikerin mit Behinderung habe ich mich im Rahmen meiner Masterarbeit auf Spurensuche begeben, um zwei wesentliche Dinge herauszufinden. Erstens: Warum gehen Lehrende ableistisch bzw. behindertenfeindlich mit Studierenden um? Zweitens: Wie könnte sich eine erhöhte Sensibilität im Bereich Behinderung positiv auf die zwischenmenschliche Beziehung beider Gruppen auswirken?

Lehrende als Barriere für Studierende mit Behinderung

Wie der Anfang des Artikels bereits verdeutlicht werden Studierende überwiegend als homogene Gruppe wahrgenommen. Auch viele Lehrende gehen davon aus, eine einheitliche Masse zu unterrichten und kommen folglich nicht auf die Idee, dass Studierende unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen. Dies liegt zum einen daran, dass Unterrichtende wenig bis gar keine Erfahrung mit Menschen mit Behinderung im beruflichen und privaten Kontext haben. Zum anderen hält sich die Weiterbildung in den Bereichen, Inklusion, Barrierefreiheit und Disability für Lehrende an Hochschulen äußerst in Grenzen, weswegen sie nicht ausreichend vorbereitet sind.

Die Konsequenzen von Lehrenden im Umgang mit betroffenen Studierenden können sehr weitreichend sein, angefangen von Angst, Abwehr, Verweigerung von Unterstützung, bis hin zur Leugnung der Behinderung und dem Hinterfragen, ob Menschen mit Behinderung überhaupt zum Studium zugelassen werden sollten. Kaum verwunderlich, die negative Haltung von Unterrichtenden wirkt sich negativ auf den Erfolg und das vorankommen im Studium aus.

Sensibilisierte Lehrende als Verbündete

Manch andere Unterrichtende hingegen sind wiederum offen für die Möglichkeit von Studierenden mit Behinderung in ihren Lehrveranstaltungen und zeichnen sich nicht nur durch ihre Aufgeschlossenheit und Unterstützung aus, sondern sie sehen sich selbst zudem als Verbündete mit einer ‚open door policy‘.  Da sie bereits Berührungspunkte mit Studierenden oder im privaten Umfeld mit Disability hatten, verfügen sie über eine sensiblere Wahrnehmung und ein größeres Wissen als ihre Kolleg*innen ohne derlei Erfahrungen.

Entscheidend sind somit: Begegnung, Erfahrung und Lernen. Dies hilft Lehrenden dabei sensibilisierter mit Studierenden mit Behinderung in Beziehung zu treten.

Lösungsansätze zur Förderung inklusiver Lehrender

Diverse Studien veranschaulichen positive Effekte von Weiterbildungs- und Sensibilisierungsprogrammen für Lehrende. Sowohl Unterrichtende als auch Studierende fordern mehr Angebot im Bereich Inklusion an Hochschulen für Lehrende und sehen hier klar die Bildungsinstitutionen in der Verantwortung aktiv zu werden.

Diese Forderung und deren Ergebnisse würden allerdings nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern auch Lehrenden und der allgemeinen Studierendenschaft zu Gute kommen. Während Menschen mit Behinderung erstmals gesehen und als selbstverständlichen Teil der Hochschule mitbedacht werden, bekommen Unterrichtende unter anderem die Möglichkeit eine diversere Zielgruppe anzusprechen. Sie können ein besseres Bildungsangebot setzen, ihr Wissen über verschiedene Kanäle vermitteln und ihre sozialen Kompetenzen erweitern, wovon letzten Endes alle Studierenden profitieren würden.

Valerie Sophie List ist Mitarbeitende an der Bertha von Suttner Privatuniversität St. Pölten und hat „Inklusion und Transformation in Organisationen“ studiert. Zu diesem Thema referierte sie bei der 3. DiStA-Forschungswerkstatt am 21. Juni 2024 in Graz.

AKTIONSWOCHE INKLUSION an der FH St. Pölten (2. Mai 2025)

Ein Bericht von Dominika Krejs

Der Weg dorthin und das Ankommen

Gespannt machte ich mich am ersten Tag auf die Reise zur FH St. Pölten mit dem Zug und anschließend zu Fuß vom Bahnhof zur FH. Was zwar eine idyllische grüne Strecke mit einem Stück entlang eines Baches ist und mit meinen 50% Behinderung aufgrund Multipler Sklerose auch eine schaffbare Strecke ist, die ich ohnehin jeden Tag absolvieren soll: 7000 Schritte. Aber vermutlich nicht für jeden behinderten Menschen zu bewältigen, weswegen zwecks der der barrierefreien Erreichbarkeit ein Hinweis dazu auf der Einladung sicherlich hilfreich gewesen wäre.

Der Veranstaltungsort, die FH St. Pölten erstrahlte als prunkvoller, moderner Neubau mit seinen ebenso adrett gekleideten Studierenden, die rein optisch betrachtet nicht den Eindruck erweckten, dass es sich um eine radikale, selbstorganisierte Politgruppe handelte, die diese Konferenz organisierte, sondern um die hierarchisch strukturierte, heteronormative Institution Universität. Den Slogan der Behindertenbewegung „Nichts über uns ohne uns“, fand ich erstmal also nirgends. Umso mehr begeisterte mich das Programm dieser Konferenz im Lauf des Tages. Aber von Beginn an: vor 9h herrschte im Hauptraum, dem Zentrum noch leichtes Chaos: die Stationen wurden fertig aufgebaut und ich wusste als Besucherin erstmal noch nicht wohin mit mir. Das kleine, handliche Konferenzprogramm – ein Zettel – ließ mich einen Plan schmieden, welche Vorträge und Workshops ich besuchen wollte.

Interessante Einblicke in die Umsetzung von Leichter Sprache

Als erstes sprach die Behindertenanwältin Christine Steger einführende Worte, dass Selbstbestimmung lange Zeit kein Thema war in der österreichischen Gesellschaft, was sich erst 2005 mit dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz änderte, das 2006 durchgesetzt wurde, aber zahnlos blieb. Seit 2008 gilt die UN-Behindertenrechtskonvention, für die es allerdings einen Prozess gebraucht hätte, wie sie in nationales Gesetzt eingearbeitet werden kann. Besonders faszinierte mich der Vortrag zu „Bildgestützten Zusammenfassungen“: Mit Zeichnungen soll das Verstehen erleichtert werden. Simple Zeichen wurden dafür veranschaulicht eingesetzt. Dasselbe Ziel verfolgte auch der Workshop zu „Leichter Sprache“: Im Fokus standen die Fragen „Welche Angebote in leichter Sprache es gibt und wo solche Angebote fehlen in Niederösterreich.“ Bei der letzten Landtagswahl gab es z.B. eine Info in leichter Sprache. Die Städte Salzburg und Innsbruck haben z.B. Buttons zur Übersetzung in leichte Sprache auf ihrer Homepage. Das Land Oberösterreich hat alle seine Sozialbescheide in leichter Sprache, die schon so ausgeschickt werden. Ebenfalls die APA und die Arbeiterkammer haben Redakteur-innen, die in leichter Sprache formulieren.

Besonders wertvoll war der Vortrag dazu von Helga Mock, die im Büro für leichte Sprache OKAY in Bozen arbeitet. Sie erklärte, dass bei „Leichter Sprache“ nur Hauptsätze verwendet werden, sowie alle Fremdwörter erklärt werden. Laut der UN-Behindertenkonvention ist barrierefreie Kommunikation bzw. leichte Sprache ein Recht. Immer mehr Ämter und Vereine haben also begonnen wegen Übersetzungen in leichte Sprach anzufragen. Bei OKAY arbeiten Übersetzer-innen und Prüfer-innen: Aufträge können an OKAY gegeben werden, die damit nach den Regeln von Inclusion Europe und dem Duden für leichte Sprache arbeiten. Auftraggeber-in kann beispielweise das Land Südtirol oder ein Museum sein. OKAY bietet weiters an: Simultan-Dolmetsch, Broschürengestaltung, Beratung bei Websites, Texte für Videos schreiben, Videos untertiteln, Kurse und Fortbildungen anbieten und Korrektorate und Lektorate. Wie kann von der Verwendung leichter Sprache überzeugt werden beispielsweise in der Politik oder in Kulturvereinen? Fest steht, leichte Sprache ist kund-innenorienterter und alle gewinnen. Sie geht weg von Stigmatisierung. Es betrifft uns alle.

Barrierefreiheit von Dokumenten für sehbehinderte Nutzer-innen

Mein letzter besuchter Workshop zu „Barrierefreien Dokumenten“ von der vom Land NÖ ausgezeichneten Agentur für grüne und inklusive Kommunikation war nicht so ertragreich wie von mir erhofft, weil sich die Barrierefreiheit von Dokumenten ausschließlich auf sehbehinderte Nutzer-innen bezog. Interessant aber jedenfalls Einblick zu bekommen, welche vielfältigen Möglichkeiten Power Point in Bezug auf Design (Farbe, Typographie und Lesbarkeit), sowie Struktur und Gliederung für eine bessere Verständlichkeit bieten.

Fazit

Ein wichtiges Vernetzungstreffen waren die Aktionstage Inklusion an der FH St. Pölten allemal. Wenn auch die Einplanung von mehreren und etwas längeren Pausen freundlicher für die Teilnehmenden gewesen wären; denn Behinderung kann vieles bedeuten v.a. wenn sie unsichtbar ist.