Waltraud Ernst (Institut für Frauen- und Geschlechterforschung, Johannes Kepler Universität Linz) über ihren Beitrag präsentiert in der DiStA-Forschungswerkstatt:
Menschen werden in unserer Gesellschaft unter vielerlei Umständen vielfach behindert. Kann die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an interdisziplinären Erkenntnisprozessen zu selbstbestimmterer Lebensgestaltung und gesellschaftlicher Teilhabe beitragen?
Prozesse der Diskriminierung zu erforschen, anstatt persönliche Merkmale in den Blickpunkt zu rücken, fordern aktuelle Ansätze der Disability Studies. Queer-feministische und intersektionale Perspektiven erforschen Behinderungen als soziale Praktiken und sozial legitimierte Prozesse (Ernst 2021). Schon in den 1980er-Jahren entstand ein kollaboratives Buch von behinderten Frauen. Darin wird das Ineinanderwirken von Behinderung und Geschlecht untersucht. Ein bis heute innovativer Forschungsansatz des „Forschens mit“ bzw. ein im heutigen Sinne autoethnografischer Ansatz des Selbstbeforschens und des Selbstschreibens wird hier einem Ansatz des „Forschens über“ vorgezogen (Boll et al. 1988). Seit den 1980er-Jahren konnten sich die Disability Studies auch im deutschsprachigen Raum als universitäre Disziplin etablieren. Intersektionale Aspekte von Behinderung und Geschlecht konnten weiter erforscht werden (DiStA – Disability Studies Austria 2018). Sowohl Geschlecht als auch Behinderung werden hier als gesellschaftliche Konstrukte verstanden, die im Alltag, im Austausch mit anderen Menschen und Institutionen ständig hergestellt, gefestigt oder transformiert werden (Jacob et al. 2010).