Crip Time

Crip Time ist ein Konzept aus den Disability Studies, das die Zeiterfahrungen von behinderten, chronisch kranken und neurodivergenten Menschen beschreibt. Diese unterscheidet sich oft von der Zeiterfahrung, die nicht-behinderte Menschen machen, zum Beispiel wenn der barrierefreie Eingang zu einem Gebäude einen doppelt so langen Weg hat. Das führt dazu, dass Menschen mit Behinderung oft als langsam wahrgenommen werden oder zu spät kommen, wozu die US-amerikanische Professorin Alison Kafer schreibt: “rather than bend disabled bodies and minds to meet the clock, crip time bends the clock to meet disabled bodies and minds.” (Feminist, Queer Crip 2013, S. 27) Crip Time ist ein Gegenentwurf zu neoliberal-normativer Zeit und deren lineares Fortschreiten in Meilensteinen – dass auf Krankheit Gesundheit folgt, auf Dating, Zusammenziehen, Heiraten, Kinder kriegen – und bricht mit Erwartungen. Damit verläuft Crip Time auch nah an Queer Time.

Schließlich prägt Crip Time das individuelle Zeitempfinden, das vor allem bei chronischer Krankheit stark an den Körper gebunden ist. Ellen Samuels schreibt in einem Essay: “I look 25, feel 85, and just want to live like the other 40-somethings I know.” Diese scheinbar widersprüchliche Erfahrung, ist mit Crip Time möglich. Mit Crip Time lassen sich Alternativen zu ableistischen und normativen Zeiterwartungen schreiben.

Von Elena Lach

Dieser Glossareintrag wurde im Rahmen des Seminars Dis/Ability & Gender im MA Gender Studies an der Universität Wien, Sommersemester 2025, unter der Leitung von Eva Egermann und Rahel More erarbeitet.

Literatur:

Kafer, Alison (2013): Feminist Queer Crip Theory: A Critical View of the Future. Indiana University Press.

Price, Margaret (2024): Crip Spacetime: Access, Failure, and Accountability in Academic Life. Durham: Duke University Press.

Samuels, Ellen (2017): Six Ways of Looking at Crip Time. In: Disability Studies Quarterly. Vol. 37 No. 3.