Dis/ability

Der Begriff dis/ability (mit Schrägstrich) stammt aus den kritischen Disability Studies und steht für die enge Verflechtung von ability und disability. Die Schreibweise mit Schrägstrich verweist auf die gesellschaftliche Konstruiertheit dieser Konzepte, dieals sich gegenseitig bedingende Kategorien zu verstehen sind. Mit der Schreibweise dis/ability wird somit die binäre Logik hinterfragt, anhand derer Menschen entweder als „fähig“ oder „nicht-fähig“ kategorisiert werden.

Darüber hinaus weist die Schreibweise auf eine Interdependenz hin, mit dem Ziel, disability als einen „fluid state“ (Barnartt 2010:2) zu begreifen. Das Konzept des „fluid states“ kritisiert ein dichotomes Verständnis von dis/ability, in dem es keine Abstufungen gibt, eine Person also entweder als able-bodied oder disabled gilt. Barnartt relativiert, dass diese Einteilung nicht auf alle Menschen gleichermaßen zutreffen kann. Insbesondere jene, die mit dauerhaften Beeinträchtigungen leben, deren Auswirkungen aber nicht immer eindeutig oder konstant sind, erfahren Behinderung als etwas fluides.

Zentral für das Verständnis von dis/ability ist der Perspektivwechsel vom medizinischen Defizitmodell zum sozialen Modell. Nicht die individuellen Eigenschaften und Beeinträchtigungen stehen im Vordergrund, sondern die gesellschaftlichen Strukturen und Barrieren, die eine Teilhabe verhindern. Nach neoliberaler Logik ist ein:e Bürger:in ein:e Arbeiter:in, wodurch Menschen nach Leistungsfähigkeit bewertet und kategorisiert werden. Dis/ability ist daher auch als Ausdruck politischer und ökonomischer Machtverhältnisse zu fassen, in denen bestimmte Körper und Fähigkeiten als „wertvoll“ oder „abweichend“ markiert werden.

Dis/ability dient als Analysekategorie und Werkzeug, um Machtverhältnisse sichtbar zu machen und ermöglicht intersektionale Verknüpfungen mit Gender, Klasse, Race und anderen Differenzachsen. Dis/ability ist zudem ein politisches Konzept, das auf die Transformation ableistischer Gesellschaftsstrukturen zielt.

Von Nele Kaiser

Dieser Glossareintrag wurde im Rahmen des Seminars Dis/Ability & Gender im MA Gender Studies an der Universität Wien, Sommersemester 2025, unter der Leitung von Eva Egermann und Rahel More erarbeitet.

Literatur

Barnartt, S. N. (2010). Disability as a fluid state. Emerald.

Goodley, D. (2014). Dis/ability studies: theorising disablism and ableism (First edition.). Routledge

Nolte, C. (2015). dis/ability Werkstatt Geschichte Heft 65. https://werkstattgeschichte.de/editorial/disability/ letzter Zugriff: 22.06.2025